Das Thema Narzissmus und Soziopathie (heute auch unter den Begriff „antisoziale Persönlichkeitsstörung“ gefasst) ist von großem Interesse, da viele Betroffene durch ihre Verhaltensweisen das Leben anderer stark beeinflussen können. Aber wie viele Menschen sind tatsächlich betroffen? Gibt es belastbare Zahlen, die sowohl Deutschland als auch die globale Verbreitung dieser Persönlichkeitsstörungen betreffen? Und was ist mit der Dunkelziffer? In diesem Blogbeitrag werfen wir einen wissenschaftlichen Blick auf diese Fragen.
Was sind Narzissmus und Soziopathie?
Bevor wir auf die Zahlen eingehen, ist es wichtig, die Begriffe zu klären:
- Narzissmus ist eine Persönlichkeitsstörung, die durch ein übersteigertes Selbstbild, mangelnde Empathie und ein starkes Bedürfnis nach Bewunderung gekennzeichnet ist. Pathologischer Narzissmus wird im Rahmen der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) diagnostiziert.
- Soziopathie, heute meist als antisoziale Persönlichkeitsstörung (APS) bezeichnet, ist eine Störung, die sich durch ein konstantes Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte anderer auszeichnet. Dazu gehören impulsives Verhalten, mangelnde Reue und häufige Lügen.
Prävalenz in Deutschland und weltweit
Die Prävalenz von Narzissmus und Soziopathie ist schwer exakt zu bestimmen, da viele Betroffene selten selbst eine Therapie aufsuchen und oft eine mangelnde Einsicht in ihr Verhalten haben. Wissenschaftliche Studien bieten jedoch eine erste Orientierung.
Narzissmus
Die Prävalenz der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) variiert weltweit je nach Studie, jedoch wird die Häufigkeit meist zwischen 0,5 % und 1 % der Bevölkerung angegeben. Eine Meta-Analyse von Studien in Europa und den USA ergab eine globale Prävalenz von etwa 1,06 % (Stinson et al., 2008).
Für Deutschland gibt es spezifische Studien, wie eine Untersuchung der Universität Leipzig, die eine Prävalenz von etwa 1,2 % der Bevölkerung feststellte (Grünewald et al., 2016). Dies bedeutet, dass in Deutschland, bei einer Bevölkerung von rund 84 Millionen Menschen, etwa 1 Million Menschen von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung betroffen sein könnten.
Soziopathie (antisoziale Persönlichkeitsstörung)
Die Prävalenz der antisozialen Persönlichkeitsstörung (APS) ist höher als die des Narzissmus. Schätzungen zufolge leiden 2 % bis 4 % der Bevölkerung an dieser Störung. Weltweit liegt die Prävalenz laut der World Health Organization (WHO) bei etwa 3 % (APA, 2013). In Deutschland schätzt man die Rate auf 2,5 % bis 3 %, was bedeuten würde, dass etwa 2 bis 2,5 Millionen Menschen unter dieser Störung leiden.
Die Dunkelziffer – Wie viele bleiben unerkannt?
Eine der größten Herausforderungen bei der Erfassung der tatsächlichen Betroffenenzahlen ist die hohe Dunkelziffer. Viele Menschen mit narzisstischen oder soziopathischen Tendenzen suchen nie Hilfe, da sie sich selbst nicht als Problem wahrnehmen. Stattdessen neigen sie oft zur Schuldumkehr und Täter-Opfer-Umkehr, was eine Diagnose oder Behandlung erschwert.
Dunkelziffer bei Narzissmus
Narzisstische Persönlichkeiten suchen selten freiwillig eine Therapie auf, da sie sich selbst als überlegen oder unfehlbar wahrnehmen. Oft kommen sie nur in Behandlung, wenn äußere Faktoren (z.B. Partner, Arbeitgeber oder rechtliche Konsequenzen) sie dazu zwingen. Experten schätzen, dass die tatsächliche Prävalenz durch eine hohe Dunkelziffer bei etwa 2 % bis 4 % liegen könnte (Cain et al., 2008). In Deutschland wären das etwa 1,7 bis 3,4 Millionen Menschen.
Dunkelziffer bei Soziopathie
Bei der antisozialen Persönlichkeitsstörung dürfte die Dunkelziffer ebenfalls beträchtlich sein, da viele Betroffene keine Einsicht in ihr Verhalten haben und selten freiwillig Hilfe aufsuchen. Studien deuten darauf hin, dass die tatsächliche Prävalenz bis zu 5 % der Bevölkerung erreichen könnte (Hare, 2003), was für Deutschland etwa 4,2 Millionen Menschen** bedeuten könnte.
Warum bleiben viele unerkannt?
Eines der Kennzeichen sowohl von pathologischem Narzissmus als auch von Soziopathie ist die Verleugnung und Projektion eigener Fehler auf andere. Betroffene zeigen oft keine Einsicht oder Bereitschaft zur Selbstreflexion. Dies führt häufig zu Täter-Opfer-Umkehr, bei der die Schuld für das eigene Verhalten anderen zugeschrieben wird. In Beziehungen oder am Arbeitsplatz manipulieren sie oft ihr Umfeld, sodass sie selbst als Opfer erscheinen, während die eigentlichen Opfer als Täter dargestellt werden. Dies macht es für Angehörige und Fachkräfte schwer, die wahren Dynamiken zu erkennen und angemessen zu reagieren.
Fazit
Die Zahlen zur Prävalenz von Narzissmus und Soziopathie in Deutschland und weltweit liegen je nach Quelle zwischen 0,5 % und 4 %. Doch die Dunkelziffer könnte weit höher sein, da viele Betroffene nie Hilfe suchen und sich ihres problematischen Verhaltens nicht bewusst sind. Die hohe Dunkelziffer und die Verweigerung von Therapie seitens der Betroffenen macht es besonders schwierig, das tatsächliche Ausmaß dieser Persönlichkeitsstörungen zu erfassen.
Die gesellschaftliche und persönliche Belastung, die durch diese Persönlichkeitsstörungen entsteht, ist jedoch enorm. Angehörige, Freunde und Kollegen von Menschen mit Narzissmus oder antisozialer Persönlichkeitsstörung leiden häufig stark unter dem Verhalten dieser Personen. Eine erhöhte Sensibilisierung und ein besseres Verständnis dieser Störungen könnten dabei helfen, frühzeitig gegenzusteuern und Betroffenen sowie ihrem Umfeld besser zu helfen.
Quellen:
- American Psychiatric Association (APA) (2013). *Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5)*.
- Cain, N. M., Pincus, A. L., & Ansell, E. B. (2008). Narcissism at the crossroads: Phenotypic description of pathological narcissism across clinical theory, social/personality psychology, and psychiatric diagnosis. *Clinical Psychology Review*.
- Grünewald, M., et al. (2016). Epidemiologie von Persönlichkeitsstörungen. *Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie*.
- Hare, R. D. (2003). *Without Conscience: The Disturbing World of the Psychopaths Among Us*.
Kommentar hinzufügen
Kommentare